Bekleidung ist mehr als Bedeckung. Sie war und ist Ausdruck von Status und der jeweiligen Haltung dazu. Ein persönliches Statement, wie mann/frau in der Welt sein will. Nichts Neues. Genauso wenig wie die Instrumentalisierung der Symbole, die "zweckentfremdet" politisch gute Dienste leistet...
Aktuell wird heftig über das "Burkini Verbot" debattiert. Dass es sich dabei um Scheindiskussionen handelt, ist offensichtlich den wenigsten bewusst. Man ist dafür, oder nicht, argumentiert mit "Unterdrückung" und hält Diskriminierung dagegen. Gleichzeitig ist es nicht verwunderlich, wie hoch die Wogen gehen und welch politische Untiefen diese Badebekleidung erreicht. Der weibliche Körper, ob nun entblößt oder bedeckt, war immer schon ein "Spielball" für Politik. Ein Schlachtfeld, auf dem (meist) männliche Weltanschauungen um Machtansprüche rangen. Die Frau als Austragungsort für männliches Dominanzverhalten .
Worum geht's eigentlich? Wir haben zwei, vielleicht gar nicht mal so unterschiedliche kulturelle Weltanschauungen, die in den doch recht unterschiedlichen Positionierungen (wobei die Interessen vermutlich identisch sind) aufeinander prallen. Es geht um das "Abstecken" der Kulturen, die zusehends ineinander fließen. Und um die Angst, die eigene kulturelle Identität zu verlieren. Dabei wird außer Acht gelassen, dass Kulturen immer einem steten Wandel unterworfen sind, der im Kontakt mit anderen Kulturen an Fahrt aufnimmt und somit spürbar wird. Egal auf welcher Seite man sich befindet - vielen Menschen geht es zu schnell und als "Gegenmittel" verhärtet man die eigene Position, am liebsten eine recht antiquierte, die den Unterschied zum Gegenüber verdeutlicht. Dass dieses "Verhalten" seltsame Blüten treibt, kann man momentan überall beobachten, was uns wieder zum ursprünglichen Thema zurückführt.
Frauen haben einen schwachen oder schwächeren Stand in den unterschiedlichsten Gesellschaften. Auch hier, im "emanzipierten" Mitteleuropa, bekleiden weniger Frauen als Männer politische Macht- und Führungspositionen. (Auch wenn wir formell, also rechtlich, die gleichen Rechte haben, werden diese informell vielfach noch anders gelebt). Deshalb findet neuerdings wieder etwas statt, was wir bereits aus der Vergangenheit kennen: die Instrumentalisierung des weiblichen Körpers als Kampfschauplatz. Denken wir an das ausgehende 19 Jh. Die Welt war in einem spürbaren Wandel. Frauen machten sich Luft und entledigten sich der Korsage. Neben allen Veränderungen nahm auch die Emanzipation Fahrt auf. Ausgehend von weiblichen Arbeiterinnen, wurde die Hose für die Frau entdeckt. Überaus frivol und höchst politisch! Frauen konnten wg. unsittlichem Verhalten ins Gefängnis kommen. Dem Hosen tragen wegen. Wobei es damals wie heute nicht um die Hose ging. Die Veränderungen der "neuen" Zeit machten Angst und die Gefechte um Korsagen und Hosen waren eine breitenwirksame Möglichkeit um darüber zu diskutieren. Man missbrauchte die schwache und vielerorts noch rechtlose Frau mitsamt ihrer Erscheinung für gesellschaftspolitische Grabenkämpfe. Man zweckentfremdete die emanzipatorische Symbolkraft der Hose und bepackte sie mit gesellschaftspolitischen Themen, die längst nichts mehr mit Hosen und Frauenrechten zu tun hatten. Ein Schicksal, das die Hose der damaligen Zeit mit dem Burkini von heute teilt.
Vor dem Burkini gab es in Sachen Bademoden allerdings noch einen ganz anderen Aufreger: der Bikini - ein Leidensgenosse mit umgekehrten Vorzeichen! Am 05. Juli 1946 wurde das erste Modell von Louis Réard im Pariser Bad Piscine Molitor von Michelle Bernardini präsentiert. Einer Nackttänzerin. Der Bikini galt als schamlos und wurde verboten. Unter anderem in Italien, Spanien, Portugal und in den USA (auch bei Schönheitswettbewerben und besonders in Hollywoodfilmen, die den ungeschriebenen Moralgesetzen des Hays Codes unterlagen). Paradoxerweise wurde der Bikini 1949 von der französischen Poliziepräfektur am Mittelmeer erlaubt und gleichzeitig an der französischen Atlantikküste verboten. Schon damals hatten die Franzosen ein ambivalentes Verhältnis zur weiblichen Bademode. In den 50er Jahren wurde die "Moral" hoch gehalten, auch wenn es unter der Oberfläche zu brodeln begann. Die Auswirkungen des Krieges veränderten die Gesellschaft, man war im Aufbau begriffen und gleichzeitig wurde all das totgeschwiegen, was sich noch immer in den Köpfen der Überlebenden befand. Europa wurde, je nachdem wo man sich befand, in ein Gut und Böse aufgeteilt. Gleichzeitig rang man um ein "politisch korrektes" Nationalbewusstsein. Ordentlich und moralisch einwandfrei - wie gut, dass man sich über den Bikini mokieren konnte, ohne sich mit der Abwesenheit von Moral und Ethik während des Krieges auseinandersetzen zu müssen. Der Bikini setzte sich erst durch, als die junge Generation der 60er mit der Vergangenheit aufräumte. Auch hier finden wir die Instrumentalisierung von weiblichen Symbolen wie das "Verbrennen der Büstenhalter" die weit über das eigentliche, feministische Thema hinausgehen.
Burkini: warum diskutieren wir nicht über Bärte? Warum bestehen wir nicht darauf, dass sich Männer ihrer religiös motivierten Symbole entledigen? Schon wieder ist es die Frau, ihr Körper und ihre Bedeckung wie Burka, Niqab, Hidschab, an dem sich ALLES hochschaukelt. Schon wieder werden "Scheingefechte" auf dem weiblichen Körper ausgetragen, die mit der Sache selbst nichts zu tun haben! Diese "verordnete" Pseudoemanzipation von Politikern, die nicht zu sagen wagen:"wir wollen euch und eure Kultur nicht, weil wir Angst vor Veränderung haben", rücken jene Frauen (mit einem überaus schwachen gesellschaftlichen Stand) in den Brennpunkt eines Kulturkampfes! Emanzipation lässt sich nicht verordnen und wer mit Befreiung argumentiert, sollte sich fragen, wie frei Verbote sind. Wenn wir den Frauen die Chance nehmen, am öffentlichen Leben teilzunehmen, weil sie noch an etwas festhalten müssen, dann verweigern wir ihnen Möglichkeiten der Weiterentwicklung indem der Kontakt mit dem "anderen", dem unseren, dem für sie fremden, unterbunden wird. Befreiung wovon auch immer, kommt nicht von außen. Der Wille dazu muss aus dem Selbst heraus entstehen und dazu braucht es Anreize. Vorstellungen davon, wie es anders sein könnte. Frauen haben in der Vergangenheit bewiesen, dass sie selbst für ihre Befreiung sorgen können - auch weil sie es aus Ermangelung an männlicher Unterstützung tun mussten! Was wir tun können ist die Frau, ihren Körper und ihre Bedeckung von den Themen zu befreien, die mit ihnen nichts zu tun haben. Damit würden wir einen Achtungserfolg einfahren, der tatsächlich der Emanzipation dient!
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