Über das Fragen nach dem Fragen

Ich weiß nicht, für wen die Schule bisher reicher an Erkenntnis war: für meine Tochter oder für mich? Die praktische oder vielmehr bewusste Auseinandersetzung mit lernen bzw. der Überprüfung von Gelerntem wurde mir zur Lektion. Mehr noch: was ich seit Schulbeginn darüber erfahren habe, verändert grundlegend mein Verstehen von lernen im allgemeinen. 

 

Zur Überprüfung von Entwicklung stehen uns (Eltern/Führungskräfte/Verantwortliche) unterschiedliche Praktiken zur Verfügung. Wir beobachten, messen/testen, und fragen dabei nach dem "Wissen", das unserer Meinung nach Merkmal für den gewünschten/geforderten Fortschritt sein könnte. Das habe ich auch gemacht und meine Tochter gefragt: "Was hast du heute gelernt?" Die Antwort war eine Aufzählung von Inhalten, die an diesem Tag behandelt wurden. Damit hätte ich mich zufrieden geben können, hätte ich danach gefragt, was an diesem Tag besprochen wurde. Was mich jedoch interessierte, war ihr persönliches Lernen also ihr Verstehen der Inhalte. Mir war klar, dass ich die falsche Frage stellte und so stellte ich mir folgende Fragen: woran merke ich, was meine Tochter verstanden hat? Und was will ich eigentlich über meine Tochter erfahren, wenn ich danach frage? Dabei halte ich mir vor Augen, nie wissen zu können, was jemand weiß, da die Person selbst über ihr gesamtes Wissen zu keiner Zeit bewusst verfügt! Das bedeutet, dass die Frage nach dem Wissen einer Person eine nicht zu stellende Frage ist. 

 

Also was kann ich überhaupt in Erfahrung bringen? Nichtwissen und eine Neigung zu einem Wissen wollen, was indirekt ein Wissen voraussetzt! Das bedeutet: wenn ich frage, wie gelingt mir ein schmackhafter Apfelstrudel, setzt das voraus, dass ich eine Ahnung habe, was ein Apfel und ein Strudel ist, mir jedoch Wissen um die Zubereitung fehlt und offensichtlich ein Interesse besteht sich die Fertigkeit der Zubereitung anzueignen. Ich würde sonst nicht danach fragen, wäre auch nur ein Punkt unklar!

 

Das bedeut für mich: ich kann nur danach fragen, welche Fragen sich für meine Tochter aus den besprochenen Inhalten ergeben. "Welche Fragen hast du zu x, y, z ?" Oder: "Welche Fragen hast du heute gestellt?" Anhand ihrer Fragen lassen sich Rückschlüsse auf ihr Verstehen und ihre Neigungen/Interessen ziehen, die wiederum Erklärungen und/oder ein Beibringen weiterer Inhalte nach sich ziehen.

 

Was daran verändert mein Verstehen von lernen? Ich dachte bisher, beim Lernen geht es lediglich um den Erwerb von Kompetenzen. "Man lernt für das Leben" ist so eine gängige Floskel, die ich bisher für mich zu "um die Welt zu erkennen" umformuliert habe. Jetzt sehe ich das anders. Ich denke, wir lernen um Fragen zu stellen, deren Beantwortung uns weitere Fragen stellen lässt.  Aus Interesse, aus der eigenen Neigung heraus, mehr wissen zu wollen. Die erworbenen Kompetenzen dienen der weiterführenden Frage. Verliere ich das Interesse/die Neigung, frage ich nicht weiter. Das bedeutet weiters, dass ich eine Neugierde, ein Interesse, eine Neigung dem Nichtwissen gegenüber haben muss, um überhaupt eine Frage stellen zu wollen! Hier wird es nun heikel, denn dem Nichtwissen haftet oft der Beigeschmack von Inkompetenz, Mangel, Dummheit an, sodass ein Fragen danach einem Gesichtsverlust gleichkommt. Fatal! Denn das nicht mehr weiter fragen verhindert das Lernen, zumindest, jenes, dem ich auf der Spur bin.

 

Wenn ich also meine Tochter täglich frage: "Welche Fragen hast Du?" Überprüfe ich damit indirekt ihr Verstehen, bekomme Auskunft über ihre Interessen und fördere gleichzeitig ihren ressourcenorientierten Umgang mit Nichtwissen. Ein spannender Ansatz, wie ich meine, der für mich noch einige Fragen offen hält.

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Kommentare: 1
  • #1

    Ethelyn Mcferren (Montag, 06 Februar 2017 05:57)


    Howdy are using Wordpress for your blog platform? I'm new to the blog world but I'm trying to get started and set up my own. Do you require any html coding knowledge to make your own blog? Any help would be greatly appreciated!

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