F. kommt von der Schule und erklärt empört:" X ist ein schlechter Feind!"
Ich habe noch nie etwas von schlechten Feinden gehört also bitte ich um Aufklärung. "Also, es gibt gute und schlechte Feinde. Mit den guten kann man streiten, ohne, dass etwas Schlimmes passiert. Mit den schlechten kann man das nicht. Die streiten nicht gut..." Aus ihren Beschreibungen erfahre ich folgendes: offensichtlich gibt es "Regeln" die beim Streiten eingehalten werden müssen. Nicht alles ist erlaubt. Werden diese "Grenzen" überschritten, wird das im Allgemeinen als unverhältnismäßig und als "moralisch höchst verwerflich"eingestuft. Im Streit ist demnach nicht alles erlaubt, selbst wenn die Wut alles fordern würde. Es gibt also "gute" Feinde, die sich an diese Spielregeln halten und andere, die über Grenzen gehen, die zwar subjektiv wahrgenommen werden und im Kollektiv gelten. Auch wenn Grenzüberschreitungen nicht sofort und unmittelbar sanktioniert werden, hat derjenige, der diese Grenze überschritten hat, mit Konsequenzen zu rechnen. Ein, mit unfairen Mitteln erreichter "Sieg" wird beispielsweise aberkannt. Es erfolgt, im nachhinein, eine strenge Verurteilung, die ausgeblieben wäre, wäre fair gestritten worden. Streiten ist ok, solange es fair bleibt.
Moralisches Handeln im Konflikt, wahrgenommen von einer Sechsjährigen. Spannend. Im Großen kennen wir das UN-Kriegsverbrechertribunal. Selbst im Krieg gibt es moralisches und unmoralisches Handeln. Vieles ist erlaubt, was der Moral zu Friedenszeiten widerspricht. Aber eben nicht alles. Was nicht bedeutet, dass es nicht geschieht. Auch hier wird die Grenzüberschreitung, also unmoralisches Handeln zu Kriegszeiten, konsequent verfolgt und endet vor Gericht.
Es scheint so, dass selbst in Konflikten, in denen "übliche" Regeln außer Kraft gesetzt werden, Regeln gelten, deren Einhaltung darüber entscheidet, ob der Konflikt (so grausam er auch sein mag), als legitim oder illegitim wahrgenommen wird und das unabhängig davon, welche "üblichen" Rechte verletzt werden. Konflikte unterliegen einer Moral, die ein allgemeines Einvernehmen voraussetzt. Wenn sich zwei um einen Parkplatz streiten, ist schreien zwar nicht schön, aber erlaubt. Würde einer zuschlagen, würde sich kaum Verständnis dafür finden lassen. Verhältnismäßigkeit in Bezug auf den Streitwert. Darum könnte es meiner Meinung nach gehen. Eine diffuse Messlatte für Moral, wenn wir genauer darüber nachdenken. Wobei sich daraus ein Stück weit die "Hassproblematik", erklären lässt.
Momentan streiten wir nicht gut. Wir sind "schlechte" Feinde. So würde es zumindest meine Tochter beschreiben. Was wir wahrnehmen, ist "unmoralisches Handeln" bezeichnet als Hass, egal welche der unzähligen Seiten befragt wird. Irgendwie kommen wir auf keinen grünen Zweig, was die faire Austragung der Konflikte betrifft, obwohl wir alle dieses "Fairnessbewusstsein" in uns tragen. Es gibt es keine Einigung darüber, was im Streiten noch erlaubt ist und was nicht. Es scheint, als würden wir alle ständig Grenzen übertreten, was wiederum alle anderen als moralisch verwerflich empfinden. Ganz komische Situation. Ohne eine Lösung dafür parat zu haben, denke ich, dass das Problem nicht im "nicht gut streiten können" liegt, sondern dass es um den "Streitwert" geht. Wir haben keinen gemeinsamen "Streitwert" der die Verhältnismäßigkeit regeln würde. Für die einen geht es um alles, und dieses "Alles" ist für die anderen nichts. Das macht einen Unterschied in der Wahrnehmung, was noch ok ist und was nicht mehr. Wenn es dir um alles geht, dann ist selbst der geringste Einwand dagegen, ein massiver Angriff, der mit allen Mitteln verteidigt werden muss. Gleichzeitig werden diese Mittel von denjenigen, für die das Ganze nichts ist, als unverhältnismäßig wahrgenommen. Unmoralisch - es geht ja um nichts! Dieses "Fehlverhalten" wird zum Streitwert für diejenigen, für die zuvor das Nichts galt. Stark vereinfacht streiten wir nicht um eine Puppe, die alle haben wollen, sondern wir glauben nur, dass wir um eine Puppe streiten. Dabei streiten die einen darum, wer besser Rad fährt und die anderen, wer den Abwasch macht, ohne es zu bemerken.
Ich habe keinen Lösungsansatz für das, was momentan unser Zusammenleben dermaßen belastet. Ich weiß auch nicht, ob ich mit diesem Ansatz ein wenig weiter komme. Ich denke jedoch, dass sich diese Überlegungen lohnen, wollen wir gut streiten um uns irgendwann zu einigen.
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Belle Miga (Mittwoch, 01 Februar 2017 18:25)
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