"Freust Du Dich nicht?" wurde ich gestern gefragt. Nach der Wahl, nachdem klar war, dass mein bevorzugter Kandidat gewonnen hatte. "Ich bin erleichtert, dass es vorbei ist." gab ich zur Antwort. Doch freuen? Worüber soll ich mich freuen? Darüber, dass sich unserer Gesellschaft auseinander dividieren hat lassen? Darüber, dass man nicht mehr miteinander spricht, weil man dem Gegenüber überhaupt nicht mehr zuhören will? Über die zahllosen Schmutzkübel, die ausgeschüttet wurden, die unsere Sprache verdreckt haben und die dafür sorgen werden, dass auch zukünftig nicht sauber über Themen diskutiert werden kann? Dieser Wahlkampf war beispiellos schäbig. Egal, wer damit begonnen hat - alle haben mitgemacht! Niemand hat sich gut geschlagen. Man hat aufeinander eingedroschen, als gäbe es nichts was verbindet. Die Politprofis gehen jetzt zur Tagesordnung über und wir bleiben auf einem Berg ungeklärter Konflikte sitzen. Man mag sich nicht mehr, man glaubt sich nichts mehr. Es wurde so viel zerstört. Am Tag danach, wird in aller Schäbigkeit weiter auseinander dividiert: Land gegen Stadt, Frauen gegen Männer, gebildet gegen ungebildet. Total sachlich, statistisch relevant, Gesichtsverlust vorausgesetzt. Du hast Hofer gewählt? Dann bist du bestimmt ein ungebildeter Mann vom Land! Ein Verlierer nach der gestrigen Wahl, wobei ungebildet und vom Land ohnehin schon darauf hinweist, dass du nichts zu gewinnen hast...So kommt das bei mir an und die "witzigen Bildchen" auf denen man sich über die "Verlierer" lustig macht, unterstreichen genau diese scheinbare "Überlegenheit". Anstatt zu versuchen, sich die Hand zu reichen, geht das Erniedrigen weiter. PFUI! Von wegen der Wahlkampf ist vorbei - der Kampf hat gerade erst begonnen...
Auch wenn gestern jemand gewonnen hat, wir alle haben verloren! Vertrauen in unsere Mitmenschen, Sachlichkeit, Integrität. Wir alle haben ein "wir gegen die anderen" zugelassen, wir alle haben unsere Sprache verschärft, aufmagaziniert und jegliche Sprachkultur in den Abgrund fahren lassen! Die Gräben, von denen so gerne gesprochen wird, haben wir miteinander geschaufelt und zu denken, dass sich diese Gräben irgendwie von selbst wieder schließen, ist gelinde gesagt naiv! Keiner außer uns kann das tun. Wir müssen für das Miteinander sorgen, das wir so leichtfertig aufgegeben und mit Füßen getreten haben. Ich will nicht in einer Gesellschaft leben, in der das Gefühl von Überlegenheit regiert. Mit der Konsequenz, dass sich die, die sich unterlegen, benachteiligt und ignoriert fühlen, zu den radikalsten Mitteln greifen müssen, um sich Gehör zu verschaffen! Wollen wir weiterhin miteinander in Frieden leben, in einer Demokratie, die die Gemeinschaft braucht um zu funktionieren, dann müssen wir jetzt auf einander zugehen. Du und ich, jeder, dem etwas an dieser Gemeinschaft liegt.
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