Die schwarz blaue Holzbiene ist echt ein Brummer. Eine Biene, die man leicht mit einer Hummel verwechseln kann, wenngleich ich Hummeln in dieser Größe bisher auch nicht kannte. Zwei dieser Exemplare haben meinen Garten zu ihrem Lebensraum auserkoren. Was mich freut! Sehr sogar. Ist diese Bienenart doch äußerst selten und vom Aussterben bedroht.
Ich konnte die beiden diese Woche zum ersten Mal beobachten. Zu einem Zeitpunkt, als die Welt wieder ein Stück weit schrecklicher wurde. Empörungswellen gingen hoch, Hater trieben ihren Hass auf die Spitze, Social Media und einschlägige Printmedien, die sich nicht unbedingt der sachlichen Berichterstattung verschrieben haben, überschlugen sich mit plakativen, inhaltslosen Überschriften. Massenhaft badete man sich in Emotionen, die nicht die eigenen waren. Mitgefühl? Wohl eher ein Emoji-Kick, um ein wenig Abwechslung in den Alltag zu bringen. Um etwas zu fühlen. Egal was, Hauptsache etwas. Und zwischen dem Getöse, das Brummen der Holzbienen.
Regt mich das auf? Gerade nicht. Wobei ich selbst meist anspringe wie ein gut geölter Rasenmäher, sofern man das "richtige" bzw. das meiner Meinung nach falsche Knopferl drückt. Ich freu mich gerade. Über Holzbienen. Kein Drama.
Ok, würde ich das, was ich hier gerade schreibe zu einem anderen Zeitpunkt lesen, wäre meine erster Gedanke vermutlich: "Empathisch wie ein Stück Holz!" Und ja, ich würde mich ärgern über diese Person, der es scheinbar schnurzegal ist, was gerade in der Welt abgeht. Ich wäre wieder am Empörungstrip, vollgepumpt mit Adrenalin und ausgestattet mit einer Extraportion moralischer Überlegenheit. Wie gesagt: schlechte Zeiten für mein Drama. Es regt mich nicht auf. Und ehrlich, es fühlt sich wirklich gut an.
Was ich hier beschreibe, hat nichts mit wegschauen zu tun. Selbst wenn man seine Augen verschließen wollen würde, es würde nicht gelingen. Ich werde jeden Tag mit soviel Mist konfrontiert, unmittelbar oder mittels Nachrichten, dass ich Angst habe, den Verstand zu verlieren. Davor, dass die "Welt" und die darin befindliche Menschheit keinen Sinn mehr ergeben. Ich fürchte um meine Freude am Leben und um meine Fähigkeit, all das Schöne, Geniale, Großartige zu sehen, das es zweifelsfrei gibt. Nur wird mir der Ausblick darauf mit Hiobsbotschaften zu jeder Tages- und Nachtzeit zugemüllt und ich frage mich, ob diese Aussichtslosigkeit dazu beiträgt, dass es "scheinbar" mit uns allen bergab geht.
Freude ist ein gutes Stichwort. Ich frage mich, wozu wir hier sind. Um was sich mein Leben dreht, wenn es mir als "gut" und sinnvoll erscheint. Es ist Freude. Selbst empfunden und gestiftet, was selbst wieder freut. Wissend, dass es immer und überall Anlässe zur Trübsal gibt. Wissend, dass Gemeinschaft, Gerechtigkeit, Liebe, Freiheit, Würde, Respekt ständig durch uns selbst bedroht werden. Nur hilft uns die Empörung nicht! Dieses Gefühl hat noch keinen Ausgleich geschaffen, kein Miteinander gestiftet, befreit oder irgendeinen Wert beigemessen. Empörung kann uns lediglich veranlassen, etwas dafür zu tun. Bleibt es dabei, ist sie nicht mehr als eine "Aufregung", die abklingt, wenn der Adrenalinspiegel sinkt.
Wenn ich mir die Freude hochhalte - das Gebrumme einer Biene beispielsweise - dann wird klarer, was ich zu tun habe. Um bei den Bienen zu bleiben: mein Garten braucht mehr totes Holz, damit sie sich gut vermehren können und ich mich über ihre Anwesenheit freuen kann.
Ich will sehen, was das Leben zu einem freudvollen macht, sonst macht Engagement wofür auch immer, keinen Sinn. Ich will mich nicht im Empören erschöpfen, bis alle Energie erschöpft ist. Ich will mich freuen und Freude stiften gerade dorthin, wo Empörung, Wut und Hass ins Nichts verpuffen, also ohne, dass etwas zum Besseren hin verändert wurde. Ach ja, ich geh jetzt in den Garten und freu mich über das Wetter, meine Bienen, über Zeit mit Kind und Kegel und lass den ganzen schrecklichen Wahnsinn mal wahnsinnig sein. Weil ich momentan nichts dagegen tun kann, außer mich zu freuen und zu hoffen, dass sich heute viele mit mir oder über mich freuen.