Nichts hören, nichts sehen und am besten nichts denken. Mein Wunsch nach einer reizarmen Umgebung nimmt manchmal seltsame Formen an. Letztens habe ich mich in der Toilette eingeschlossen, weil es dort nichts zu sehen gibt. Die Umgebungsgeräusche, die mich irgendwie ablenken können, werden von den dicken Mauern zurückgeworfen. Dorthin, wo sie hingehören. Also nicht zu mir. Ruhe, ein unstillbares Bedürfnis in letzter Zeit. Was schwer vorzustellen ist, bedenkt man die unzähligen Rückzugsmöglichkeiten wie Toiletten, Wälder, Berggipfel und, aufgepasst: Stau (zur Rushhour). Wem es gelingt, den Hass auf die Welt der Stauenden von sich fern zu halten, der hat gute Chancen auf ein wenig Ruhe. Der Blick geht ins Leere, die Ohren betäuben sich mit der Monotonie der Motorengeräusche. Friedvoll könnte es sein, wenn auch die Gedanken fern blieben. Nichts gegen Gedanken grundsätzlich. Nur sind es nicht die schönsten, die sich spiralförmig, mit der Tendenz zur Abgrundbewegung, im Kopf breit machen. Was zunächst harmlos beginnt, entspinnt sich rasch zum Alptraum. Die Frage nach "habe ich das Fenster geschlossen?" endet mit der Vorstellung, beim nachhause kommen von einem Meuchelmörder dahingerafft zu werden, der die Gelegenheit des offenen Fensters natürlich ergreifen würde, wäre das Haus nicht zuvor abgebrannt. Wegen der achtlos weggeworfenen Zigarette, die vom Wind durch das offene Fenster einen Zimmerbrand entfacht hat und der einzige, der die Feuerwehr hätte rufen können, wäre der Meuchelmörder gewesen, der jedoch anderes zu tun hatte. Mordpläne schmieden. Oder die Steuer machen. Die Steuer! Verdammt.
Wie auf Kommando zog ich mich also zurück auf die Toilette. Reizarm, wie gesagt. Das Klopfen meiner Tochter an der Tür beantwortete ich mit : "Ruhe! Ich brauch Ruhe!" Wissend, dass ich eigentlich einen Aufschub vom Finanzamt brauche. Weil ich wie jedes Jahr zu spät dran bin, weil ich eben meine Ruhe brauchte, von dem Zeug, das sich nicht von selbst erledigt, wie der Zimmerbrand in meinem Kopf.
Kein gute Story, ich weiß. Dafür eine willkommene Ablenkung vom eigentlichen Thema. Das Vertagen von Aufgaben/Lösungen bringt in der Regel nicht die erwünschte "Ruhe davon". Sie schleichen sich durchs Hintertürchen in unsere Gedanken und erinnern uns laufend daran, dass sie noch zu erledigen sind. Getarnt als Meuchelmörder oder Zimmerbrand verschleiern sie zwar das eigentliche Problem, wohl fühlen wir uns dabei trotzdem nicht. Sie sind zu erledigen, will man sich ihrer entledigen. Um dann endlich Ruhe zu haben. RUHE!